06:05
Der Wecker klingelt. Der lügt doch! Ich bin noch gar nicht ausgeschlafen. Eigentlich bin ich noch gar nicht richtig eingeschlafen. Von durchschlafen ganz zu schweigen! SNOOZE!
06:12
Der Wecker klingelt. Mit einer anderen Melodie. Damit meine Synapsen auch ja nicht auf die Idee kommen sich an das Geräusch zu gewöhnen, um es dann schlichtweg zu ignorieren.
Na gut. Aufstehen. Hilft ja nix. Sonst gibt es nur schon wieder Hektik am Morgen und das ist der absolute Stimmungs-Terror für jede Familie.
06:25
Dann geh ich mal die Kinder wecken. Hey, ich bin heute super drauf! Wenn alle aus dem Haus sind mach ich gleich MEINEN SPORT. Dann Gassigehen mit dem Fahrrad, damit hab ich gleich noch meine Cardio-Einheit erschlagen. Dann Duschen. Dann Büro. Ja genau. So mach ich’s!
07:22
Die beiden großen, kleinen Ladies sind aus dem Haus bugsiert, nach: Turnbeutel vergessen, Nutella-Fleck aus dem Lieblings-Shirt geschrubbt, verlorene Trinkflasche ersetzt, drei Zettel für die Schule ausgefüllt, die umgeschüttete Cornflakes-Schüssel der Kleinsten aufgewischt, Hund und Katze gefüttert, den Mann zum Abschied geküsst. Das Schlimmste ist geschafft. Ich auch.
07:25
Haare waschen, sonst kann ich nicht aus dem Haus. So eine Kurzhaarfrisur hat Ihre Tücken. Vor allem morgens gleicht sie eher einem explodierten Handbesen als einem modischen Statement.
07:30
Jetzt noch in Ruhe eine Tasse Kaffee trinken und einen Blick auf Facebook werfen, dann bring ich die Kleine in die Krippe, und dann mach ich MEINEN SPORT!
08:12
Oh Mist! Zeit vergessen. Ich hocke immer noch im Schlafanzug mit einer halben Tasse kaltem Kaffee auf der Couch und wische auf meinem iGlumb herum. Die Kleine hat in der Zwischenzeit das Zimmer zum Abenteuerspielplatz umgebaut. Jetzt aber schnell!!
(Die Kämpfe gegen den Durchsetzungswillen einer Zweieinhalbjährigen erspare ich meinen Lesern an dieser Stelle. Darüber gibt es tonnenweise pädagogisch wertvolle Literatur)
09:35
Wieder zurück. Ja, ich gebe es zu, hat bisschen gedauert. Ich war noch schnell Brot holen, dann im Bioladen (der macht erst um 9 Uhr auf) und bei der Nachbarin am Zaun. Aber jetzt mach ich MEINEN SPORT! Aber erstmal brauch ich noch einen Kaffee. Ach, und irgendwie hab ich grade keinen Bock. Ich nehme meinen Kaffee mal mit ins Büro rüber und checke wenigstens nebenbei meine Emails. Der Hund pennt sowieso noch. Also keine Eile.
11:50
Ach Du Schei**. Schon so spät?! Seit einer Stunde liegt ein geduldiger Hundekopf auf meinem Oberschenkel und begnügt sich mit einem stetig wiederkehrenden „ja gleich gehma Gassi“. Ich stecke noch im Jogging-Anzug, meine Buchhaltung ist noch nicht fertig, muss aber heute ins Steuerbüro, der Hund war immer noch nicht draußen, und überhaupt kommt in anderthalb Stunden heute schon die Große wieder nach Hause und hat Hunger. Ok. Grießbrei und Apfelmus. Das geht schnell. Gedanklich ist das schon mal erledigt. MEIN SPORT muss warten. Kann ich ja auch später noch machen.
Den Rest des Tages bis zum frühen Abend verbringe ich mit Papierkram, Kinder-Fast-Food, stopfe mir selber irgendetwas das der Kühlschrank so hergibt zwischen die Kiemen (keine Zeit für „gesunde Ernährung“), WhatsApp mit der Freundin, Telefonat mit Mama, Geburtstagsgeschenksuche bei Amazon, Schlachtplan für das Abendessen, Buchhaltung hektisch zusammenstopseln (wie war das noch mit der regelmäßigen vorsortieren Ablage?), Kinder-Taxi zum Ballett und wieder zurück, „Mama-kann-ich-Mama-ich-will-Mama-ich-will-nicht-Mama-Eis-aber-sofort“, noch schnell eine Maschine Wäsche anschalten, mit dem Staubsauger durchs Haus sausen (weil der Hund so fusselt und die Kinder schmutzen)… Da fällt mir ein: der Caterer für die Hochzeitsparty weiß noch gar nicht was wir von ihm wollen! Ach, was soll’s, den ruf ich Morgen an. Und die Kundin, die den roten Gürtel braucht? Ach, die auch. Morgen. (Der Ordner mit der Buchhaltung steht immer noch im Flur.)
18:10
Ich bin auf jeden Fall mit Bibi Blocksberg verwandt, denn das Essen steht auf dem Tisch. Eine der Töchter heult zwar, aber verletzt ist niemand. Gemüse schnipseln war mir zu aufwändig, außerdem maulen dann wieder alle rum, und das kann ich mal gar nicht gebrauchen heute. Also gibt es etwas das schnell ging und alle mögen: Spaghetti mit Tomatensoße. 500g. Damit auch alle satt werden. Eine handvoll Nudeln in der Packung lassen macht ja irgendwie auch keinen Sinn. Damit auch noch „Ein-Was-Grünes“ dabei ist, schneide ich noch eine Gurke in Scheiben. Ohne Schale. Das geht immer. Ich esse selber halt nur einen kleinen Teller. Ohne Käse. Und mach dann später bisschen mehr von MEINEM SPORT.
18:35
Alle sind satt. Alle haben zwei Teller Nudeln verputzt. Ich drei. Mit Käse. Ohne Gurke. Aber ich hab ja noch MEINEN SPORT.
21:14
Endlich sind alle Kinder im Bett. Fast alle schlafen. Das Chaos ist wieder beseitigt. Die Wäsche ist im Trockner. Hund und Katze sind gefüttert. Mein Mann sitzt im Büro. Jetzt schnell, schnell, schnell den Fernseher einschalten und auf Pause drücken. Auf keinen Fall darf ich „House of Cards“ verpassen. Ich such den Sender und drücke die Pause-Taste. Jetzt hab ich noch anderthalb Stunden Zeit bevor der Receiver weiterläuft. Das reicht locker. „Schatz, ich mach noch MEINEN SPORT“ – „Ja, ja“.
Die nächste dreiviertel Stunde verbringe ich damit mir die Jogginghosen von heute Morgen wieder anzuziehen, mir die Augenbrauen zu zupfen, meine Schmink-Schublade im Bad aufzuräumen (muss echt dringend auch mal wieder sein) und die Wäsche der letzten Woche einzusammeln, die sich wie ein dünner Teppich über dem Fußboden im ersten Stock ausgebreitet hat.
22:00
Ich hab keinen Bock. Aber sowas von. Ich schenk mir mal noch ne Apfelschorle ein. Oder besser gleich zwei Gläser. Wird ja sicher anstrengend. Dextro Energy bereit legen kann auch nicht schaden. Ich roll schon mal die Matte aus. Muss ich Turnschuhe anziehen? Mei bin ich müd‘! Ich hab keinen Bock. Aber sowas von!
22:15 noch 30 Minuten dann startet der Receiver meine Lieblings-Serie. Also los geht’s.
22:44 Geschafft! Ich habs geschafft!! Ich bin geschafft!!! Training mit schweren Hanteln ist echt dankbar. Da geht wenigstens was in kurzer Zeit. Noch 10 Min Gymondo dazu und die Mutti ist am Ende. Apfelschorle leer. Beide. Dextro Energy zerkaut. Verschwitzt und mächtig stolz plumpse ich gerade noch rechtzeitig auf die Couch. Ich hab‘s geschafft! Ich und MEIN SPORT! Geht doch!
23:00 Ich bin auf der Couch eingeschlafen, hab die letzten 25 Minuten House of Cards verpasst, bin noch nicht geduscht und der Hund muss noch raus…
*hach* wie ich das kenne! Komme leider auch nie dazu vor 22/23 Uhr Sport zu machen :/ 🙁
Super Artikel! Genau so ist es
Du solltest ein Buch schreiben.